4. Wireflow und Key Screen
Artikel von Mike Angeles (mike@balsamiq.com)
aus dem englischen sinngemäss übersetzt
Wireflows einer Benutzerführung
Ein Wireflow ist ein hybrides Designdokument, das Wireframing mit Flussdiagrammen kombiniert. Sie sind im Wesentlichen Wireframes, die Benutzerführung und Systemablauf zeigen.
Durch einfaches Hinzufügen von Pfeilen und Anmerkungen zwischen den Wireframes (Screens) werden die Pfade angezeigt, die ein Benutzer bei der Verwendung einer Anwendung einschlagen kann. Diese kleinen Änderungen an Wireframes kommunizieren die visuellen Änderungen an der Mensch-Maschinen-Schnittstelle und beschreiben gleichzeitig Zustandsänderungen und Sequenzen in der Benutzerinteraktion.
Abb. 6-5: Beispiel eines Wireflows
In diesem Text wird aufgezeigt, wie diese Technik im Designprozess eingesetzt werden kann. Zunächst werden die verschiedenen Arten von Design-Artefakten vorgestellt, die Produktdesigner für die Gestaltung von Schnittstellen und die Erstellung von Flussdiagrammen verwenden. Schließlich wird aufgezeigt, warum Wireflows das am besten geeignete Werkzeug für die gleichzeitige Kommunikation eines Schnittstellen- und Interaktionsdesigns ist.
Vergleich von Wireframes mit Flussdiagrammen
Wir beginnen mit einem Vergleich von Wireframes mit anderen Techniken zur Gestaltung von Abläufen und fahren dann mit der Gestaltung eines Wireflows fort.
Wireframes
Wireframes (auch als Key Screens bezeichnet) eignen sich gut für die Darstellung statischer Schnittstellen.
Die Daten und das Layout einer Schnittstelle ändern sich jedoch häufig, wenn Benutzer mit einem Produkt interagieren, so dass ein einzelnes statisches Wireframe die Komplexität dieser Änderungen möglicherweise nicht gut darstellt.
Das folgende Beispiel zeigt eine Seite für ein Produkt auf einer Shopping-Website.
Abb. 6-6: Wireframe einer Anwendung
Dieser Wireframe vermittelt eine gute Vorstellung davon, welche Elemente auf den Produktseiten eines Shops erscheinen und wo sie angeordnet werden sollten. Einige dieser Oberflächenelemente lösen jedoch Aktionen aus. Zum Warenkorb hinzufügen (Add to Cart) ist hier ein offensichtlicher Auslöser. Es muss daher explizit festlegt werden, was passiert, wenn der Benutzer diese Aktion auslöst. Um dies zu tun, könnte ein Produktdesigner typischerweise jeden geänderten Zustand drahtlos darstellen, wenn der Benutzer die Kaufabwicklung durchläuft.
Flussdiagramme
Flussdiagramme können für die Gestaltung von Interaktionen verwendet werden.
Es gibt mehrere Arten von Flussdiagrammen, die bei der Gestaltung von Softwareprodukten nützlich sind - Aufgabenflüsse, Benutzerflüsse und Flussdiagramme. Die Grenzen zwischen den einzelnen Diagrammtypen sind fließend, und der Begriff „Benutzerfluss“ wird häufig synonym mit „Aufgabenfluss“ und „Flussdiagramm“ verwendet. Im Allgemeinen eignet sich diese Diagrammklasse hervorragend zur Darstellung von gerichteten Abläufen und/oder entscheidungsbasierter Logik.
Aufgabenabläufe sind nützlich, um zu entwerfen, wie ein Benutzer eine Aufgabe erledigen wird. Sie werden in der Regel als lineare Abfolge von Schritten dargestellt und können auf einer hohen Ebene entworfen werden oder sehr detailliert sein, indem eine Aufgabe in Teilaufgaben unterteilt wird. Sie können das Ergebnis einer Aufgabenanalyse sein, bei der beobachtet wird, wie Benutzer Aufgaben erledigen.
Aufgabenflüsse sind auch bei der Planung der optimalen Pfade für die Aufgabenerledigung nützlich, zumal sie sich leicht in natürlicher Sprache ausdrücken lassen. Man könnte sie auch als visuelle Antworten auf User Stories betrachten, da sie auf ähnliche Weise geschrieben sind.
Die User Story «Der Benutzer möchte eine schnelle Möglichkeit, einzelne Kleidungsstücke zu kaufen» könnte durch einen Aufgabenablauf wie den folgenden dargestellt werden:
Abb. 6-7: Aufgabenfluss für Kaufprozess
Aufgabenflüsse eignen sich zwar für die Vorhersage, wie der Benutzer eine Aufgabe erledigt, aber Abweichungen von diesen idealen Pfaden werden in der Regel nicht untersucht.
Flussdiagramme sind gut geeignet, um den Weg des Benutzers bei der Interaktion mit dem System (den Benutzer-Taskflow), die Entscheidungen, die er auf dieser Reise trifft, und die reaktiven Backend-Prozesse, die er möglicherweise auslöst, darzustellen.
Die Diagramme enthalten Start- und Endpunkte, Entscheidungspunkte, den gerichteten Fluss des Systems und die Reaktion des Systems auf die Eingaben des Benutzers, einschließlich der Art und Weise, wie Daten verarbeitet und transportiert werden.
Abb. 6-8: Flussdiagramm zu Kaufprozess
Diese Art von Flussdiagrammen eignet sich gut, um den Benutzer-/Systemfluss gründlicher darzustellen, indem sie die Verzweigung von Pfaden an Entscheidungspunkten und den Datenfluss durch das System zeigen. Sie sind zwar gut geeignet, diese Komplexität innerhalb des Produkts darzustellen, zeigen aber nicht das Design der Schnittstelle an verschiedenen Stellen. An dieser Stelle helfen Wireflows, die Lücke zwischen Wireframes und Flussdiagrammen zu schließen.
Wireflows
Wireflows vereinen die Vorteile von Wireframes und Flussdiagrammen. Der Begriff Wireflow wurde von der Nielsen Norman Group geprägt, nachdem sie beobachtet hatte, wie sich die Praxis in diesem Bereich entwickelte.
Wireflows zeigen visuell, wie sich Teile der Benutzeroberfläche verändern, wenn der Benutzer mit der Anwendung interagiert. Zusätzlich können Anmerkungen hinzugefügt werden, um Faktoren wie die Übertragung von Daten innerhalb des Systems anzuzeigen.
Wireflows können einfach als eine Erweiterung der Wireframing-Praxis betrachtet werden, um Benutzerflussinformationen direkt in das Schnittstellendesign einzufügen. Das einfachste Beispiel zeigt lediglich eine Abfolge von Ereignissen bei der Ausführung einer Aufgabe. Sie können einem Storyboard mit Anmerkungen ähneln. Dies veranschaulicht im Wesentlichen einen Aufgabenablauf mit dem Zusatz von Wireframes.
Abb. 6-9: Veranschaulichung des Ablaufs anhand eines Wireflows
Es können auch komplexere Beispiele für Wireflows erstellt werden, um zu zeigen, wie eine Vielzahl von Aktionen innerhalb einer Schnittstelle Änderungen oder Systemreaktionen in einer dynamischen Schnittstelle auslösen können.
Die komplexesten Beispiele können Flussdiagrammen ähneln und zeigen die Art von Entscheidungsverzweigungen, Backend-Prozessen und Datenbewegungen, wie sie in detaillierten Flussdiagrammen erwartet werden.
Wie man einen Wireflow erstellt.
Produktdesigner verwenden schon seit langem hybride Methoden für das Wireframing. Häufig wird dabei eine Einzelansicht (Key Screen) um Teileansichten ergänzt, um das dynamische Verhalten zu zeigen.
Eine weitere gängige Wireflow-Praxis ist das Design von mobilen Anwendungen. Da die Ansichtsfenster von Mobiltelefonen im Vergleich zu Desktop-Anwendungen und Websites klein sind, ist es üblich, ganze Schlüsselbildschirme (Key Screen) zu reproduzieren und Zustandsänderungen zu zeigen.
Die Erstellung von Wireflows kann in 3 einfache Schritte, durchgeführt werden:
1. Beschreibender Text des Ablaufs oder Flussdiagramm
2. Definieren von Key Screens
3. Screens verbinden
1. Beschreibender Text
Oftmals wird mit der Beschreibung des Bedarfs begonnen und das Problem in einer User Story festgehalten. Dann kann, wie im obigen Beispiel des Aufgabenablaufs gezeigt, eine Lösung in Worte gefasst oder ein einfacher Aufgabenablauf verwenden werden.
2. Definieren von Key Screens
Als Nächstes werden die wichtigsten Bildschirme (Key Screens) der Schnittstelle erstellt. Eine gute Möglichkeit, dies zu tun, ist es, in Form von Start- und Endpunkten zu denken. Im Beispiel der Aufgabe „Kauf eines Hoodies“ ist der Startpunkt die Produktseite und der Endpunkt die Bestätigungsseite der WEB-Anwendung.
Ziel ist es, Bildschirme zu identifizieren, bei denen die Schnittstelle ihren Zustand ändert, z. B. wenn Daten während eines Prozesses wie dem Auschecken aus einem Geschäft dynamisch aktualisiert werden. Es könnte ein Formular verwendet werden, das nach und nach mehr Eingaben erfordert, z.B. Kontaktinformationen, Versandinformationen und Rechnungsinformationen in einer Ansicht. Jedes dieser Formulare müsste entworfen werden.
3. Bildschirme verbinden
Als Nächstes wird die Verbindung der wichtigsten Bildschirme (Key Screens) skizziert. Dazu werden Pfeile zwischen die Kästchen gezeichnet, um den Raum zwischen den Key Screens zu definieren und den Benutzer durch seine Aufgabe voranzubringen. Es können Entscheidungspunkte einfügt werden, um zu zeigen, was in verschiedenen Fällen passiert, wenn der Benutzer eine Option wählt, und was passiert, wenn er eine andere wählt.
Beispiel 14: App für Katzenfotos
Nehmen wir an, wir entwerfen eine App zur gemeinsamen Nutzung von Katzenfotos und möchten die Anmeldung und das erste Benutzererlebnis gestalten. Dazu kann folgender Flow skizziert werden:
- Aufgabe die durchzuführen sind
- Anmeldung: Der Benutzer meldet sich an und legt einen Benutzernamen, eine E-Mail und ein Passwort fest.
- Erster Beitrag: Die erste Aufgabe des Nutzers ist es, sein erstes Foto direkt nach der Anmeldebestätigung zu machen. - Key Screens
- Unregistrierte Startseite
- Anmeldungsbildschirme
- Anmeldebestätigung
- Anmeldungsbildschirme
- Erster Beitrag
- Feed (Bestätigung) - Wireflow
Abb. 6-10: Illustration mit Wireframes zur Veranschaulichung des Ablaufs
Schlussfolgerung
Flussdiagramme helfen dabei, optimale Pfade für die Erledigung von Benutzeraufgaben zu definieren
(1) und es können auch potenzielle Abweichungen von Best-Case-Szenarien vorhergesagt werden. Weiter kann aufgezeigt werden, wie der Benutzer wieder auf den richtigen Weg kommt (oder einen anderen beabsichtigten Pfad einschlägt).
Eine umfassende Untersuchung des Ablaufs stellt sicher, dass die Anwendung bereit ist, mit gut formulierten Meldungen zu helfen
(2), im Gegensatz zu vagen Fehlertexten. Außerdem können nützliche Optionen angeboten werden, um weiterzukommen
(3), wenn ein Hindernis vorliegt, anstatt dass der Benutzer sich festgefahren fühlt und herausfinden muss, was er als Nächstes tun soll.
Wie wir im obigen Vergleich gesehen haben, bieten uns Wireflows eine Reihe von Vorteilen gegenüber der Verwendung jeder einzelnen dieser Entwurfstechniken. Der Hauptgrund für die Verwendung von Wireflows besteht darin, dass Sie als Produktdesigner die Möglichkeit haben, die Schnittstelle und den Ablauf auf die effektivste Art und Weise mit einem einzigen Design-Artefakt visuell zu kommunizieren.
(1) Vergleiche ISO 9241: Aufgabenangemessenheit
(2) Vergleiche ISO 9241: Fehlerrobustheit (-toleranz)
(3) Vergleiche ISO 9241: Steuerbarkeit
Werkzeuge
Das Erstellen von Key Screens und Wireflows kann am einfachsten mit Papier und Bleistift realisiert werden. Um einen ersten Eindruck eines Konzepts zu erhalten, genügt dies vollauf.
Abb. 6-11: Handskizze eines Key Screen
Wer sich mit skizzieren schwer tut, kann auch Anwendungen wie Visio, Balsamiq usw. nutzen.
Abb. 6-12: Key Screen mit Visio erstellt | Abb. 6-13: Key Screen mit Balsamiq erstellt | |
Selbst mit einer Anwendung wie z.B. Excel lassen sich Key Screens entwerfen. Man muss dabei gut Überlegen, wie die Zeilenhöhen und Spaltenbreiten zu wählen sind.
Elemente wie Pulldown, Scrollbar oder gewisse Icons können per copy-paste aus z.B. Visio eingefügt werden.
Abb. 6-14: Key Screen mit Excel erstellt
Eine günstige Alternative für Smartphone Screens bietet auch das Miro-Board an.
Abb. 6-15: Library des Miro-Boards mit Wireframes für Smartphones
Wireflow
Ein Wireflow zeigt den Ablauf, den eine Anwendung bei unterschiedlichen Aktionen nehemen kann. Um einen Wireflow zu skizzieren, ist es sinnvoll, wenn die jeweiligen Key Screens in einer minmierten Form präsentiert werden. Alle Elemente die nicht oder nur wenig von Bedeutung für den Ablauf der Anwendung sind, können als Linie dargestellt werden.
Dadurch ergibt sich ein kompakteres Bild.
Beispiel 15: Wireflow zu Absenztool
Abb. 6-16: Wireflow einer Anwendung
Hier findet sich auch ein Beispiel für die Lernförderlichkeit einer Anwendung, in dem der Benutzer üebr die Bedeutung des Disketten-Symbols aufgeklärt wird.